ExpertInnen aus der Welt des Pferdesports geben in unserer neuen Serie "So kommen wir im Pferdesport gut durch die Krise" praktische Tipps zum Umgang mit den Corona-Einschränkungen. In Teil 2 erzählt Vielseitigkeitsreiterin Lea Siegl was ihr derzeit hilft. Das Gespräch führte Sportpsychologin Christina Lechner
Was löst die aktuelle, Corona-bedingten Situation bei dir aus?
Lea Siegl: Natürlich finde ich es schade, dass viele Turniere abgesagt werden mussten – gerade zu einem Zeitpunkt, als wir startbereit für die neue Saison waren. Trotzdem finde ich gut, dass diese Maßnahmen gesetzt werden: Wenn sich jetzt praktisch die ganze Welt dafür einsetzt, das Infektionsrisiko zu verringern, dann müssen auch wir im Pferdesport einiges hintanstellen.
Als Vielseitigkeits-Reiterin kennst du den Begriff „Risikobewusstsein“ sehr gut. Hat er jetzt für dich jetzt eine neue Bedeutung bekommen?
Siegl: Sicher wissen wir, wie sich Risiken verringern lassen, etwa wenn am Geländetag alles doppelt und dreifach überprüft wird: von der Sicherheitsweste mit Airbag über die Steigbügelriemen bis zu den Hufeisen. Auch schauen wir uns jeden Sprung ganz genau an. Jetzt erlebe ich es so ähnlich mit den Sicherheitsmaßnahmen im Alltag: ich trage beim Einkaufen die Schutzmaske und halte mich an die Händehygiene-Regeln. Vor allem muss ich abwägen, was ich machen kann und was ich lieber vermeiden sollte.
Wie haben sich deine sportlichen Zielsetzungen verändert, wo dir für einen Einzel-Startplatz bei Olympia nur mehr eine fehlerfreie lange 4*-Geländestrecke fehlt?
Siegl: Die Qualifikation wollte ich bei einem Turnier im April erbringen und das Konditionstraining der Pferde war auf den Saison-Höhepunkt im Juli ausgerichtet. Mit der Verschiebung um ein Jahr gewinne ich aber nun ein Jahr, in dem ich mehr Erfahrung sammeln kann. Wie es heute aussieht, werde ich nächstes Jahr mit Fighting Line die Olympia-Saison planen und wenn möglich mit einem zweiten Pferd auf die Europameisterschaft hinarbeiten.
Du wirst von deinem Vater trainiert. Wie sieht dein Training derzeit aus?
Siegl: Ich bin froh, dass er mein Trainer ist (Anm: Leas Vater und Trainer Harald Siegl nahm selbst als Vielseitigkeitsreiter an den Olympischen Spielen 2004 in Athen teil). Wir haben jetzt mehr Zeit miteinander, weil wir beide selbst nicht auswärts unterrichten können, und arbeiten genau an der Korrektur gewisser Fehler meinerseits. Außerdem widmen wir uns intensiv der Ausbildung junger Pferde, die sonst in der Saison immer ein wenig zurückstecken müssen. Generell legen wir viel Wert darauf, mit Pferden ohne jeden Stress zu arbeiten und uns ihr Vertrauen zu erarbeiten. Wir bringen sie immer wieder in neue Situationen und nutzen verschiedene Boden- und Lichtverhältnisse. Wenn die Pferde erleben, dass wir selbst ruhig bleiben, lernen sie uns zu vertrauen und werden immer lockerer. Gerade ein Vielseitigkeitspferd muss der Reiterin absolut vertrauen und einfach cool sein!
Du hast vorhin von einer Online-Reitstunde erzählt – wie funktioniert das?
Siegl: Mit Online-Reitstunden habe ich eine gute Lösung gefunden, mit meinen Reitschülern in Kontakt zu bleiben. Man braucht dazu ein Tablet oder I-Pad und eine gute Internet-Verbindung. Ich sehe dann am Laptop die Schüler in der Halle reiten und unterrichte über Handy und Kopfhörer.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Die oberösterreichische Vielseitigkeitsreiterin Lea Siegl (21) gewann im September vergangenen Jahres ihre erste 4*-Prüfung. Mit ihrer bisherigen Ergebnisse hat das ehemalige Mitglied des OEPS Talente-Teams einen Quotenplatz für Österreich bei den Olympischen Spielen in Tokio geholt, um selbst alle Kriterien für die Olympia-Qualifikation zu erfüllen, fehlt noch eine fehlerfreie Geländeprüfung über die lange Distanz. Die Lehramtsstudentin für Geschichte und Psychologie/Philosophie bildet selbst ReiterInnen aus und absolviert die Staatliche Trainerausbildung an der Bundessportakademie Wien.
Die Top 3-Strategien gegen die Krise von Lea Siegl
1. Ruhe bewahren: Als Vielseitigkeitsreiterin sowie in der Ausbildung von Jungpferden legt Lea Siegl großen Wert auf Ruhe und Gelassenheit - das hilft ihr jetzt im Umgang mit der noch immer ungewohnten Situation.
2. Risiko-Bewusstsein: Jetzt gilt es im Alltag bestimmte Sicherheitsregeln einzuhalten. Auch dabei hilft die reiterliche Erfahrung!
3. Zielsetzungen anpassen: Das Datum für den nächsten Turnierstart ist derzeit ungewiss. Das bedeutet für Reiterin und Pferde laufend neue Ziele zu formulieren.
Headerbild: (c) Christina Lechner