Am 24. März 2010 wurde der 45-jährige Wiener Thomas Istinger vom Präsidium des Bundesfachverbands (BFV) für Reiten und Fahren in Österreich zum neuen Springsportreferenten bestellt. An seiner Seite: Thomas Frühmann (sportlicher Berater), Roland Fischer (Junioren und Children) und Bernhard Maier (Pony). Durch innovative Konzepte will das neu formierte Team ein professionelleres Umfeld für die Österreichischen Springreiter schaffen, für mehr Teamgeist innerhalb der Mannschaft sorgen und den Informations- und Kommunikationsfluss zwischen Reitern und Verband durch transparentere Strukturen verbessern. Das große Ziel: die Beschickung der Olympischen Spiele in London 2012. Das Etappenziel: Sieg in der Europaliga und damit Chance zum Aufstieg in die Superliga der besten acht Springsportmannschaften der Welt.
Frage: Sie fungierten viele Jahre als Mitarbeiter ihrer Vorgängerin Gabriele Morbitzer. Ihr Resümee?
Istinger: In diesen Jahren als Co-Referent habe ich viel miterlebt, konnte von Gabriele Morbitzer viel lernen und durfte die Referatsarbeit intensiv mitgestalten. Ich habe meine Erfahrungen gemacht – durch positive Erlebnisse, aber natürlich auch durch Fehler, die einem am Anfang zwangsläufig widerfahren.
Frage: Mitte März haben Sie das Amt des Bundesreferenten in der Sparte Springen übernommen. Eine schwierige Aufgabe?
Istinger: Schwierig, herausfordernd und sehr zeitintensiv. Meine Tätigkeit als Bundesreferent erfordert neben einen enormen administrativen Aufwand sehr viel Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Feingefühl. Als Referent mischt man sich automatisch in die Privatsphäre der Athleten ein indem man in ihren Berufsentscheidungen mitbestimmt und sie z.B. für gewisse Turniere „verpflichtet“. Wenn man hier kein Fingerspitzengefühl und offene Ohren hat, bewegt man sich sehr schnell auf sehr dünnem Eis.
Frage: Wen haben sie sich als Mitarbeiter ausgewählt, wer wird sie unterstützen?
Istinger: Ich habe das Glück, dass ich an meiner Seite drei sehr kompetente und erfahrene Kollegen habe, die mich tatkräftig unterstützen. Roland Fischer ist als Jugend-, Bernhard Maier als Ponykoordinator tätig. Als sportlicher Berater im Spitzensport steht mir Thomas Frühmann zur Verfügung.
Frage: Thomas Frühmann zählt zu den besten Reitern der Welt, sagt aber über sich selbst, dass er kein einfacher Mensch ist. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit ihm?
Istinger: Mit Thomas Frühmann habe ich ein sehr gutes Einvernehmen. Ich bin froh, ihn als sportlichen Berater an meiner Seite zu haben. Er kümmert sich ausschließlich um den Spitzensport und erstellt gemeinsam mit den Reitern einen sinnvollen Turnier-Jahresplan, stellt individuelle Aufbaupläne zusammen, stimmt Qualifikationsrichtlinien ab, gibt Empfehlungen für CSIO-Beschickungen etc. Das gesamte Referat und die Reiter profitieren von seinen jahrzehntelangen Erfahrungen im Profisport und vertrauen ihm, dass er die richtigen Entscheidungen trifft. Dass die Reiter großes Vertrauen ihn ihm haben zeigte auch eine geheime Abstimmung im Rahmen einer Versammlung, wo sich 28 von 30 Springreitern für Thomas Frühmann als sportlichen Berater im Springreferat aussprachen.
Frage: Welche Ziele setzten Sie sich als Bundesreferent und was erwarten Sie für die Zukunft des österreichischen Pferdesports?
Istinger: Die Olympischen Spiele in London 2012 sind unser großes sportliches Ziel. Qualifikationsmöglichkeiten bestehen bei den Weltreiterspielen in Kentucky im Oktober 2010 sowie bei den Europameisterschaften in Madrid 2011. Für Kentucky ist eine Mannschaft mit vier Reitern geplant. Laut FEI sind momentan Stefan Eder, Julia Kayser, Gerfried Puck, Dieter Köfler und Thomas Frühmann - wobei Thomas das Championat nicht bestreiten wird - startberechtigt. Unsere Chance für eine Teilnahme steht bei 50:50.
Frage: Warum nur 50:50?
Istinger: Wir haben mit zwei Problemen zu kämpfen. Einerseits haben wir nur vier qualifizierte Reiter. Das heißt, alle vier Reiter-Pferde-Paare müssen am Tag X top fit sein. Würde ein Athlet oder ein Pferd erkranken oder sich verletzten, würde die gesamte Mannschaft platzen. Zweitens kostet die Beschickung für Kentucky sehr viel Geld und ist zeitintensiv. Die Reiter müssen ca. drei Wochen für das Championat mit Vor- und Nachlaufzeit einplanen und können in diesem Zeitraum keine weiteren Turniere besuchen.
Frage: Apropos Geld. Finanzielle Mittel kann man für den Sport nie genug haben. Nun die Frage an Sie: Können Sie mit den vorhandenen Mitteln alle ihre Ziele in die Tat umsetzen?
Istinger: Leider nein. Wir haben derzeit nicht das finanzielle Potential, um die Reiter bestmöglich unterstützen zu können. Das Budget des Springreferates wird aufgeteilt unter der Allgemeinen Klasse, die 65% davon erhält, die restlichen 35% fließen in die Nachwuchsarbeit, beginnend mit den Pony- bis hin zu den Jungen Reitern. Somit ist zum Beispiel die Finanzierung eines hauptberuflichen Bundestrainers für die Jugend oder Nationalmannschaft derzeit unmöglich. Mein persönliches Ziel ist es, dass ich gemeinsam mit dem Verband ein Modell finde, mehr Geld für den Sport zu lukrieren. Ideen dazu gibt es, aber es ist noch zu früh, um darüber heute schon zu sprechen.
Frage: Das heißt „Ohne Moos nichts los“ im Pferdesport?
Istinger: Ja, ganz genau. Professionelles Arbeiten kostet Geld. Uns fehlt es nicht an guten Reitern, die haben wir in Österreich. Unser Problem ist, dass wir in unseren Handlungsweisen eingeschränkt sind und z.B. gewisse CSIOs gar nicht erst beschicken können, weil die Reisespesen einfach zu hoch sind. Angenommen, ich schicke eine Mannschaft zum CSIO nach Athen würden alleine die Reisekosten 25% des Jahresbudgets verschlingen.
Aber ohne große sportliche Erfolge auf großen Turnieren ist es für unsere Reiter wiederum schwierig an gute Pferde zu kommen. Und ohne gute Pferde keine Topplatzierungen, keine Medienpräsenz und in Folge keine Sponsoren. Wie sie sehen ein Kreislauf, der sich aber mit den nötigen finanziellen Background eines starken Verbandes durchbrechen ließe.
Bild: Thomas Istinger (c) MuM