Lebenstraum: "Es ist wie ein Wunder"
20.01.2025 - Es ist nie zu spät, seinen Lebenstraum zu verwirklichen
. Nicht die Jahre des Lebens zählen, sondern das Leben in den Jahren, meint Sylva Behrens und erfüllte sich mit 85 Jahren den Traum ihres Lebens: Einen eigenen Andalusier!
Seit du ein kleines Mädchen bist, reitest du sehr ambitioniert. Wie kommt es aber, dass du erst so spät dein erstes eigenes Pferd gekauft hast?
Sylva Behrens: Ich komme aus Bayern und meine Eltern besaßen dort ein eigenes Pferd. Es stand auf einem Bauernhof und ich war in meiner Studentenzeit hauptsächlich im Gelände unterwegs und habe an Jagden teilgenommen. Als ich dann durch den Beruf meines Mannes nach Wien gezogen bin, fand ich eine Mitreitmöglichkeit in einem Dressurstall mit einem fantastischen Trainer aus der Spanischen Hofreitschule. Es gab Jahrzehnte lang für mich keine Notwendigkeit, ein eigenes Pferd zu kaufen, weil ich immer gute Pferde zu reiten hatte. Erst als ich 70 Jahre alt war, sollte Harlekin, das Pferd, dessen Mitreiterin ich zu dem Zeitpunkt war, verkauft werden. Da habe ich nicht lange überlegt und habe ihn mir gekauft.
Als Harlekin in Pension ging, warst du 85 Jahre alt. Hast du überlegt, gleichzeitig mit Harlekin deine Reitsportkarriere zu beenden?
Behrens: Ich habe gar keine Zeit gehabt, über die Zukunft nachzudenken, weil ich von meiner langjährigen Bereiterin, die inzwischen meine beste Freundin geworden ist, Chamaco, einen 17-jährigen, fantastisch ausgebildeten Andalusier angeboten bekommen habe. Und das, wo ich schon mein halbes Leben lang von einem Andalusier geträumt habe. Meine Bereiterin kannte das Pferd schon fünf Jahre lang und wusste, dass er der Richtige für mich ist.
Hattest du Zweifel, ob du ihn kaufen sollst?
Behrens: Wenn ich in mich hineingehorcht habe, habe ich stets gewusst, dass ich ihn haben möchte. Aber natürlich gab es auch Stallkollegen, die mir das ausreden wollten. Sie haben mir nur mein Alter vorgehalten und das Risiko, das damit verbunden ist. Aber ich hatte Gott sei Dank auch gute Freunde, lauter „Pferdemenschen“, um mich, die mich bestärkt haben. Sie sagten: „Kauf ihn doch! Erfüll dir diesen Herzenswunsch, um noch glückliche Jahre zu haben. Und sollte es wirklich einmal nicht mehr gehen, so finden wir schon eine Lösung für das Pferd.“
Hast du deine Entscheidung je bereut?
Behrens: Nein. Ich habe Chamaco mit großer Freude gekauft und mittlerweile drei überglückliche Jahre mit ihm gehabt. Die kann mir niemand mehr nehmen.
Alle älteren Menschen kennen die Beschwerden, die zunehmend zum ständigen Begleiter werden. Wie schaffst du es, dich mit 88 Jahren drei Mal pro Woche in den Sattel zu schwingen?
Behrens (lacht): Ja, das ist ein Wunder. Chamaco trägt meinen total kaputten Rücken, sodass ich tatsächlich im Sattel keine Schmerzen empfinde. Ich habe eigentlich ständig Schmerzen, vier Wirbel wurden versteift und mein rechtes Bein hat Lähmungserscheinungen. Ich kann weder eine Kreuzhilfe geben noch mein rechtes Bein einsetzen, aber Chamaco und ich haben Wege gefunden, wie ich ihm trotzdem zeigen kann, was ich von ihm möchte. Ich arbeite zum Beispiel viel mit Stimmhilfe und die Gerte ersetzt mein rechtes Bein. Und es ist auch immer meine Bereiterin dabei, wenn ich im Stall bin. Sie hilft mir beim Herrichten und unterrichtet mich. Aber in erster Linie verdanke ich es Chamaco, dass ich noch reiten kann. Ich habe das Gefühl, dass er mich verstehen will. Er ist wahnsinnig einfühlsam und wir haben großes gegenseitiges Vertrauen zueinander. Ich kann das schwer erklären, aber seine Kraft überträgt sich während des Reitens tatsächlich irgendwie auf mich. Es ist wie ein Wunder.
Gibt es etwas, was du anderen Reiter:innen in höherem Alter noch sagen möchtest?
Behrens: Denen kann ich nur sagen: Zögert nicht, euch euren Lebenstraum zu erfüllen! Es ist nie zu spät dafür!