Kurzbericht Nachwuchssport-Studie

09.02.2022 - Im Nachwuchsleistungssport bestehen bereits im Jugendalter hohe körperliche und mentale Anforderungen (Baur et al., 2008), welche eine Vielzahl an gesundheitlichen Beschwerden und Behandlungsbedürfnissen hervorrufen. Um eine bestmögliche körperliche und mentale Gesundheit der jungen AthletInnen zu gewährleisten, ist eine regelmäßige Statuserhebung der Versorgungsmöglichkeiten sowie der Verbesserungsmöglichkeiten notwendig.

Die folgende Studie "Analyse des Gesundheitsstatus und der sportmedizinisch-sportwissenschaftlichen Betreuung im Nachwuchsleistungssport" der Abteilung für Sportmedizin, Leistungsphysiologie und Prävention am Institut für Sportwissenschaft an derUniversität Wien bringt spannende Erkenntnisse.


Bei bereits bestehender internationaler Forschung ist der Gesundheitszustand sowie eine optimale Versorgung der Nachwuchsathlet*innen von Interesse (Baur et al., 2008; Gustafsson et al., 2008; Nolden, 2011). Eine Studie aus Deutschland erforschte Aufgaben und Inhalte der sportmedizinischen Versorgung, Betreuung und Begleitung in den Verbundsystemen Schule- Leistungssport des Landes Brandenburg/Deutschland (Baur et al., 2008). Dafür wurden sowohl qualitative Befragungen als auch quantitative Fragebogenerhebungen durchgeführt.

Die Ergebnisse der Studie ergaben, dass lange Wartezeiten bei Behandlungen von akuten Problemen in allen Standorten vorkommen. Die Qualität der medizinischen Versorgung wurde standortabhängig unterschiedlich eingestuft. Weiters hängt die Anzahl der Untersuchungen der AthletInnen davon ab welcher Sportart und welchem Kader man zugehörig ist (Baur et al., 2008). Durch regelmäßige Untersuchungen könnten das Entstehen von Überforderungen rechtzeitig erkannt und entgegengewirkt werden. Hinweise auf physische und psychische Überbelastungen sowie die Entstehung von schwerwiegenden Krankheiten könnten dadurch rechtzeitig erkannt werden (Windhaber & Schober, 2014). Es ist das Ziel dieser Forschung, durch eine wissenschaftliche Erhebung können etwaige Beschwerden und Behandlungsbedürfnisse erkannt und hieraus präventiv wirksame Empfehlungen für NachwuchsleistungsspotlerInnen abzuleiten, um deren Aufwachsen und Entwicklung bei bestmöglicher körperlicher und mentaler Gesundheit zu gewährleisten. Die vorliegende Forschung beschäftigt sich mit der Frage, welche sportmedizinisch-sportwissenschaftlichen Betreuungsmöglichkeiten im Nachwuchsleistungssport im Osten Österreichs bestehen und wie diese optimiert werden können.

Methodik

Diese empirische Forschungsarbeit bedient sich der Methodentriangulation und kombiniert damit die qualitative mit der quantitativen Forschung. Zuerst wurden qualitative, leitfaden-gestützte Interviews mit dem Betreuungspersonal und den NachwuchssportlerInnen (N = 22) durchgeführt. Die Transkripte der teil-strukturierten Interviews wurden anschließend nach der Methode der Inhaltsanalyse nach Mayring bearbeitet. Aufbauend auf diese Ergebnisse wurde ein online Fragebogen erstellt und anschließend folgte der quantitative Teil der Forschungsmethodik. Dabei wurden NachwuchsleistungssportlerInnen im Alter von 14-19 Jahren in Ost-Österreich befragt. Nach Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 300 vollständig ausgefüllte Fragebögen in die statistische Auswertung (Statistikprogramm IBM SPSS Statistics 27) eingeschlossen.

Ergebnisse

Unter den 300 Befragten der quantitativen Fragebogenerhebung waren 52,3 % männliche AthletInnen und das durchschnittliche Alter lag bei 16,8 (± 1,4) Jahren. Die durchschnittliche Trainingszeit der ProbandInnen in einer Woche beträgt 13,1 (±6,7) Stunden. Die Schlafdauer der Proband*innen betrug unter der Woche 7,5 (±1,0) Stunden. An Wochenenden und Feiertagen liegt der Mittelwert bei 9,0 (±1,1) Stunden.

Bezüglich der Verletzungen zeigt sich, dass signifikant mehr AthletInnen bereits eine Verletzung erlitten haben (85,3 %) als noch unverletzt sind (14,7 %) (P < 0,001). Wobei die Gruppe, der noch unverletzten AthletInnen signifikant jünger ist als die Gruppe derer, die bereits eine Verletzung erlitten haben (P = 0,009). Auf die Frage, welches Körperteil am häufigsten von Verletzungen betroffen war, wurden vor allem Verletzungen an den Extremitäten (Knöchel/Fuß/Zehen 59,0 %; Unterarm/Hand/Finger 51,7 %; und Knie 45,3 %) genannt. Die häufigsten Verletzungsarten sind Prellungen (69,0 %), Muskel- oder Bänderzerrungen (58,0 %), sowie Entzündungen (42,0 %).

Bezüglich der sportmedizinischen Betreuung ergab die quantitative Erhebung, dass am seltensten Hörtests, Herzultraschalls, Lungenfunktionstests und Ruhe-EKGs in den letzten 12 Monaten durchgeführt worden sind. Bei der Häufigkeit der Untersuchungsdurchführung war bei AthletInnen, die eine Schule mit Sportschwerpunkt besuchen/besucht haben signifikant höher bei folgenden Untersuchungen: EKG in Ruhe (P < 0.001), EKG unter Belastung (P < 0.001), Herzultraschall (P < 0.001), Lungenfunktionstest (P < 0.001), Blutuntersuchung (P = 0,011) und leistungsdiagnostische Untersuchungen (P < 0,001). Im Hinblick auf die sportwissenschaftlichen Betreuungen wurde von den SportlerInnen in den letzten 12 Monaten am meisten die Physiotherapie (44,0 %), gefolgt von der Sportmassage (36,0 %) in Anspruch genommen.

Die Mehrheit der Befragten war der Meinung, dass physiotherapeutische Betreuung (70,0 %), Sportmassage (69,3 %), sportmedizinische Betreuung (61,3 %), Ernährungsberatung (58,3 %), sportpsychologische/mentale Betreuung (56,7 %) und Beratung durch SportwissenschaftlerIn (51,3 %) öfter notwendig sind. Über die Hälfte der Befragten (52,3%) wünschen sich eine individuellere Trainingsgestaltung und annähernd die Hälfte hätten gerne vermehrt ernährungswissenschaftliche Betreuung (48,3 %), sportpsychologische/mentale Betreuung (47,3 %) und auch physiotherapeutische Betreuung (45,3 %).
Eine wichtige Rolle spielt für die Befragten auch die Kommunikation zwischen Schule und Sport. Vor allem die Athlet*innen, die eine Schule ohne Sportschwerpunkt besuchen, wünschen sich mehr Akzeptanz und Rücksichtnahme seitens der LehrerInnen und der Schulen.

Diskussion

Das primäre Ergebnis dieser Studie ist, dass sich die NachwuchssportlerInnen in vielen Bereichen zusätzliche Betreuungsarbeit wünschen. In den Bereichen, in denen genügend Versorgung vorhanden ist, sind sie mit der Umsetzung und Durchführung sehr zufrieden. Auffällig ist, eine hohe Anzahl an Verletzungen und die Forderung nach zusätzlichem Personal in sportmedizinischen und auch in den sportwissenschaftlichen Bereichen. Die Analyse der sportmedizinischen Untersuchungen ergab, dass insbesondere im Bereich der kardiologischen Untersuchungen Bedarf für häufigere Untersuchungen besteht. In diesem Zusammenhang sollte vermehrt ein Fokus auf die Athlet*innen ohne Sportschwerpunkt-Schulen gelegt werden.

Weiters besteht Bedarf durch vermehrte Präventionsarbeit die Anzahl an aufkommenden Verletzungen zu reduzieren. Zur optimalen Verletzungsprophylaxe könnten vermehrt medizinische TrainingstherapeutInnen und SportwissenschaftlerInnen in den Trainingsprozess involviert werden. Um eine optimale und leistungsoptimierte Nährstoffversorgung zu gewährleisten, sollten zusätzlich vermehrt ErnährungsberaterInnen hinzugezogen werden, welche die AthletInnen auch wünschen. Auch der Ausbau der Aufklärungsarbeit hinsichtlich einer verbesserten Regeneration durch ausreichenden Schlaf ist ein wichtiger Punkt um sowohl physische als auch psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu optimieren.

Die durchschnittliche Schlafzeit der Athlet*innen liegt mit 7,5 h unter den Empfehlungen der Literatur, welche 7-9 h Schlaf vorsieht (Bird, 2013; Foley, 2021). Wobei jungen, körperlich-aktiven Personen wie SpitzensportlerInnen geraten wird mind. 9 h zu schlafen (Foley, 2021; Fullagar et al., 2015). Während der Großteil am Wochenende diese Empfehlungen einhalten kann, sollte die Schlafzeit während der Woche erhöht werden.

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